Sandy Eberle: Hoffnungslos Im finsteren Tal/Leseprobe

Der wohl glücklichste Tag

Gelassen und entspannt spazierte ich an jenem wunderschönen Tag im Jahr zweitausendundeins, zu meinem Auto, einem grünen Golf, schloss die Tür auf und warf meine Handtasche auf den Beifahrersitz. Ein Geschenk legte ich behutsam auf den Rücksitz. Gut gelaunt setzte ich mich hinters Steuer. Es war der Geburtstag meiner Mutter. Ein schöner und sonniger Freitagnachmittag. Anfang März, zudem arbeitsfrei, das Wochenende stand vor der Tür.  

Ich startete den Wagen und fuhr los. Im Radio lief gute Musik und es gab nichts, was meine Laune trübte.

Beim Verlassen einer leichten Linkskurve, bekam ich Einsicht auf eine kleine Kreuzung. Diese befand sich in etwa zweihundertfünfzig Metern Entfernung. Rechts hinter einer Stoppstelle stand ein Auto, dessen Fahrer beabsichtigte, meine Fahrbahn zu überqueren. Ein aufkommendes Gefühl, sagte mir, dass dieser Fahrer mich nicht kommen sah. Ein kurzer, schneller Blick auf meinen Tacho, die Geschwindigkeit war angepasst. Ein letztes Fahrzeug kam mir auf der Gegenfahrbahn entgegen und der Abstand zwischen mir und dem noch immer rechts stehenden Auto verringerte sich mit jeder Sekunde. Der Fahrer wartete den Gegenverkehr ab, genau in dem Zeitpunkt als dieses Fahrzeug in etwa auf meiner Höhe war, fuhr er los. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, mein Herz drohte für einen Moment still zu stehen, klopfte dann aber wie verrückt. Aus allen vorhandenen Schweißdrüsen trat Schweiß aus. Mein Körper verspannte sich und erstarrte vor Schreck.

Es waren nur Bruchteile von Sekunden, mit ganz weit aufgerissenen Augen verkrampften sich meine Hände am Lenkrad. Mein Fuß trat mit großer Wucht auf das Bremspedal. Geistesgegenwärtig und mit der letzten Hoffnung, einen Aufprall zu verhindern, lenkte ich meinen Golf etwas nach links. Zu spät! Es reichte nicht, mein Auto krachte mit einem dumpfen, lauten Knall in den linken hinteren Kotflügel des mausgrauen Autos, welches mir die Vorfahrt nahm. Mein Sicherheitsgurt fing mich unsanft auf, Scheinwerferglas schlug auf der Straße auf und zersplitterte.

Für einen kurzen Moment dachte ich, die Zeit steht still. Der Sicherheitsgurt löste sich, er bewahrte mich vor Schlimmerem.

Zurück im Geschehen, lautete meine erste Frage, musste das passieren? Tausend Gedanken rasten in Windeseile durch meinen Kopf. War ich zu schnell gefahren? Bremste ich zu spät? Warum hupte ich nicht? Hätte ich es verhindern können? Alles ging so schnell.

Mein Auto.“

Wie schrecklich. Meine Gedanken gingen diesen Vorwürfen nach, doch meine Augen beobachteten ganz andere Dinge. Der Unfallverursacher startete sein Auto und querte die Straße. Entfernte er sich von der Unfallstelle? Das brachte mich geradezu aus dem Gedankenwirrwarr zurück. Was geschah da? Machte er sich etwa aus dem Staub? Ungläubig verfolgte ich das Handeln des Fahrers. Weit und breit kein anderes Auto, es gab keine Zeugen, ich traute meinen Augen nicht. In letzter Sekunde fiel mir ein, die Autonummer zu notieren. Doch noch ehe ich einen Zettel und Stift fand, hielt der Fahrer rechts am Rand der linken Seitenstraße wieder an. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich saß noch immer in meinem Auto. Das empfand ich als eine Art Schutz, so konnte ich den Fahrer beobachten. Dieser öffnete die Autotür und stieg langsam aus. Es handelte sich um einen älteren Mann, der keineswegs den Eindruck machte, verletzt zu sein.

Erst jetzt löste ich meinem Sicherheitsgurt aus der Verrastung, stieg ebenfalls aus dem Auto aus. Etwas wackelig auf den Beinen, öffnete ich den Kofferraum und holte mein Warndreieck heraus. Ordnungsgemäß stellte ich es an den Fahrbahnrand. Nicht ein einziges Fahrzeug verlangsamte die Geschwindigkeit, um mir Hilfe anzubieten, nur um zu glotzen verlangsamten sie ihre Geschwindigkeit, danach gaben sie wieder Gas.

Ich lief zurück, vor mir stand mein Auto, beschädigt, und ich fühlte mich traurig. In meiner Handtasche suchte ich nach meinem Handy, um die Polizei anzurufen. Meine Hände zitterten, ich tippte, eins, eins, null. Am anderen Ende läutete es zweimal, die Polizei meldete sich. In meiner Aufregung redete ich etwas stotternd, erklärte den Ort, den Unfallhergang und verneinte die Frage, ob jemand verletzt war. Sie schickten einen Streifenwagen, damit war der Anruf beendet.

Mein Blick wanderte wieder zu dem älteren Mann, er stand noch immer an sein Auto gelehnt. Es schien ihm wirklich gut zu gehen. Keiner von uns kümmerte sich um den anderen.

Wartend stellte ich mich an die Beifahrerseite meines Autos, legte den rechten Oberarm auf das Autodach und stützte mit meiner Hand den Kopf.

Als sich die Minuten wie Stunden anfühlten und sich das Gefühl einstellt, die Füße schlagen Wurzeln, ertönte endlich das Martinshorn, kurz darauf fuhr das Polizeiauto auf uns zu. Bevor es die Unfallstelle erreichte, verstummte das Martinshorn. Eine angenehme Ruhe kehrte zurück. Die Polizei stellte ihr Fahrzeug hinter meinem Auto rechts an den Straßenrand. Das Blaulicht blinkte in einem fort.

Zwei Polizisten stiegen aus. Es war wie im Film, dieses Mal besetzte ich jedoch die Hauptrolle. Eine Polizistin und ein Polizist kamen auf uns zu. Schon als ich diesen Polizisten aussteigen sah, dachte ich, das ist ein netter junger Mann, die Uniform steht ihm gut. Ich schätzte ihn auf zirka vierzig Jahre. Eine tolle Figur und seine Haare waren seitlich schon leicht grau meliert.

Da es um weitaus wichtigere Dinge ging, besann ich mich schnell wieder auf die vor mir liegende Situation. Die Polizistin sagte den üblichen Spruch: „Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte!“

Danach bewegte sie sich zielstrebig in die Richtung des älteren Mannes. Der Polizist blieb zurück und näherte sich dem Polizeiauto. Ich ging gleichzeitig zu meinem Auto und holte dort meine Papiere. Ein richtiger Ärger kam über mich, da ich mir den Nachmittag ganz anders vorstellte.

Ich begann laut zu sprechen: „Ich könnte schon längst in Neutal bei meiner Mutter sein.“

Mit dem Portemonnaie in der Hand bewegte ich mich in Richtung des Polizeiautos. Dieses stand jetzt vor meinem demolierten Golf. Der Polizist parkte es um. Lässig saß der Polizist hinter dem Lenkrad. Seine Beine waren außerhalb des Wagens und sein Oberkörper war nach rechts geneigt. Als ich auf ihn zukam, schenkte er mir sofort seine ganze Aufmerksamkeit, was nicht gerade zu meiner Beruhigung beitrug. Mit zitternden Händen nahm ich das gewünschte Papier aus meinem Portemonnaie, hielt es ihm hin. Er nahm es entgegen. Als er die Papiere aufmerksam anschaute, fragte er mich, ob ich aus Neutal kam. Doch das ging nicht aus den Papieren hervor, die ich ihm gab. Mir war klar geworden, dass er meine zuvor laut ausgesprochenen Gedanken mithörte. Ich sah ihn mit einem überraschten Lächeln an und bejahte seine Frage. Im Gegenzug fragte ich ihn sofort, ob er Neutal kannte. Mit einem sehr freundlichen Lächeln ließ er mich wissen, dass er von dort kam. Mir fehlten die Worte, ich nahm die Papiere wieder an mich und steckte sie zurück ins Portemonnaie. Sichtlich überrascht ging ich zu meinem Auto und verstaute das Portemonnaie in der Handtasche.

Auf der anderen Seite versammelten sich die beteiligten Personen um das Auto des älteren Mannes. Während ich auf die kleine Gruppe zuging, inspizierte ich das Auto des älteren Mannes. Vergeblich suchte ich dessen Beschädigung. Das konnte doch nicht wahr sein, mein eigenes Auto war vorne stark beschädigt, dieses Auto wies nicht einmal eine Delle auf. Der Polizist beobachtete mich und unsere Blicke trafen sich. Ich fragte ihn ernsthaft, wieso mein Auto so beschädigt war und dieses Auto, an dem wir standen, keinen Kratzer aufwies. Er sah mich an und wieder fiel mir sein umwerfendes Lächeln auf.

Kommen Sie einmal mit“, forderte er mich auf und er führte mich auf die andere Seite des Wagens.

Ich traute meinen Augen nicht, auch dieses Auto war stark beschädigt. Wie konnte ich so naiv sein, schoss es mir in den Kopf. Ich wusste nicht, ob er erkannte, wie peinlich mir das Ganze war. Er lächelte noch immer, schaute mich an und sprach von einem leichten Schock und meine verwirrten Gedanken wären in so einer Situation gar nicht so ungewöhnlich.

Ich beruhigte mich etwas und stellte mich zu den Anderen. Sie besprachen den Unfallhergang, die Schuldfrage stand an. Der ältere Mann begann auf einmal, mir die Schuld zu zuweisen. Dabei platzte mir der Kragen, ich rechtfertigte mich: „Er hat mich nicht gesehen, ist einfach losgefahren. Und ich soll letztendlich zu schnell gefahren sein?“

Sichtlich empört stand ich da. Das war hoffentlich nicht sein Ernst. Ich war drauf und dran richtig laut zu werden, konnte und wollte das alles nicht glauben.

Auf einmal schaute mich der Polizist an, er gab mir vorsichtig zu verstehen, dass es nichts brachte, mich so aufzuregen. Mich träfe keine Schuld erklärte er. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass es keine Zeugen gab. Der Polizist sah mich sehr freundlich an und redete auf mich ein. Augenblicklich spürte ich eine Beruhigung bei mir. Da ich nicht wusste, was in dem Moment mit mir geschah, ließ ich es einfach so stehen.

Der Polizist versicherte mir, die Polizei war mein Zeuge und ich sollte mir wirklich keine Gedanken machen.

Was mich sehr verwunderte, waren diese persönlichen Fragen, die er mir auf einmal stellte. Er fragte mich, wo genau meine Eltern in Neutal wohnten. Im Gegenzug fragte ich ihn dieselben Fragen, wir schweiften total vom Unfall ab und unterhielten uns über unsere gemeinsame Heimatstadt.

Soweit ist alles geklärt.“ Das waren die Worte der Polizistin.

Die Adressen waren ausgetauscht und der nette freundliche Polizist gab mir seine Visitenkarte mitsamt seiner Telefondurchwahl und der Information, dass ich ihn bei eventuellen Unklarheiten jederzeit anrufen durfte. Wir verabschiedeten uns und Herr Klein, so hieß der Polizist, wünschte mir noch einen schönen Aufenthalt bei der Geburtstagsfeier meiner Mutter.

Etwas durcheinander im Kopf, lief ich zu meinem Auto, es stand direkt hinter dem Polizeiauto. Auf der Fahrbahn waren mit weißer Kreide die Umrisse der Pkws gezeichnet. Mein Blick schweifte noch einmal über die Zeichnung am Boden, bevor ich losfuhr.

Was war mit mir geschehen? Vor noch gar nicht langer Zeit, es waren vielleicht fünfundvierzig Minuten, krachte es. Zum Glück war der Schaden nicht sehr groß und ich konnte noch fahren. Mir tat nichts weh, ich war nicht wirklich sauer, obwohl mein Auto beschädigt war. Doch fühlte ich mich leicht und gut. Das allerbeste an dieser Geschichte war, dass mich keine Schuld traf.

Es war nicht mein erster Unfall, ich gestehe, bei meinem ersten Unfall traf mich die Schuld alleine.  Beim zweiten Mal eine Teilschuld. Aber dieses Mal konnte ich wirklich nichts dafür. Ich war unschuldig.

In Neutal angekommen, stürmte ich in mein Elternhaus, ich gratulierte meiner Mutter, überreichte das Geschenk und begrüßte den Rest der Gäste mit einem flüchtigen: „Hallo“, dabei strahlte ich wie ein Maikäfer.

Meine Eltern standen in der Küche und ich wusste nicht, was ich zuerst fragen sollte. Ich erzählte ganz kurz, dass mir gerade jemand die Vorfahrt nahm und mein Auto etwas kaputt sei. Überraschte Augenpaare schauten mich aus verschiedenen Gesichtern an. Das war durchaus verständlich, nach dieser Aussage. Nicht ganz vierzehn Jahre waren vergangen, seit die Polizei vor der Haustür meiner Eltern stand und sie über meinen folgenschweren Unfall informierte. Dieser damalige Unfall veränderte mein ganzes Leben.

Doch das war totale Nebensache für mich. Es gab so viel wichtigeres, was ich wissen wollte. So erzählte ich ihnen, dass ein Polizist mit dem Namen Klein aus Neutal den Unfall aufnahm. Ich fragte, ob ihnen dieser Name etwas sagte. Gespannt wartete ich auf die Antwort meines Vaters.

Ja natürlich“, war seine Antwort, dieser Name war ihm gut bekannt. Er wohnt in der unteren Stadt, Herr Kleins Vater kannte er gut.

Meiner Mutter war diese Familie auch sehr gut bekannt. Da sie als junges Mädchen nicht weit von ihnen entfernt wohnte. Das kam mir alles sehr fragwürdig vor, weder der Name noch die anderen Aussagen über diese Familie sagten mir etwas. Dennoch freute ich mich sehr darüber, dass wenigstens meine Eltern wussten, von wem die Rede war.

Schon da war mir nicht aufgefallen, dass es mir sehr viel bedeutete, was meine Eltern erfreute.

Nach einem leckeren Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee beschloss ich, einen Bekannten anzurufen. Er war der Schwager meines Ex-Freundes. Er kümmerte sich schon lange um unsere Autos, diesen Golf besorgte er mir auch. Das Glück meinte es gut mit mir, ich durfte noch am gleichen Abend bei ihm vorbeikommen.

Ich entschuldigte mich wegen des baldigen Aufbruchs und verabschiedete mich von meiner Mutter und ihren Gästen. Außerdem verlangte mein Körper, etwas zu ruhen, nach diesen Ereignissen. Auf der Fahrt schwirrten meine Gedanken vom Unfall zu Herrn Klein, meinen Eltern und zu der Geburtstagsfeier, die ich viel zu früh verließ. Weiter zu dem älteren Mann, der mir die Schuld in die Schuhe schob. Bis sie bei meiner Freundin hängen blieben. Der Freitagabend gehörte seit geraumer Zeit meiner Freundin Sarah und mir. Trotz des Unfalls traf ich mich an diesem Abend mit ihr. Mir war es sehr wichtig, ihr von meinem Erlebnis zu erzählen.

 

Nachdem ich in die Straße, in der mein Bekannter wohnte, einbog, konnte ich ihn schon von Weitem erkennen. Thomy, das war sein Name, stand am Straßenrand und erwartete mich bereits. Ich stellte mein Auto in seiner Garageneinfahrt ab.

Kaum war ich ausgestiegen, sah er mich an, dann mein Auto, dann wieder mich, er fragte mich, wie das passierte. Er nahm sein Werkzeug und fing an, den Schaden zu untersuchen. Während ich ihm so erzählte, wie es passiert war, sah er zu mir auf, sein Gesicht wirkte erstaunt und fraglich zugleich.

Es gibt keine Zeugen?“

Ich verneinte die Frage. Woher war ich mir so sicher, dass mich keine Schuld traf, wollte er wissen? Ich erzählte ihm von der Polizei und dass diese mein Zeuge war. Wieder schaute er mich sehr fragend an und meinte, ob mir bewusst sei, dass man der Polizei auch nicht immer alles glauben kann.

Das war der Stichpunkt. Auf der Stelle fiel mir das Kärtchen ein, welches mir Herr Klein in die Hand gab. Ich teilte Thomy mit, dass ich bei der Polizei schnell anrufe, um den Sachverhalt zu klären. Ich tippte die Nummer von der Karte in mein Handy. Herr Klein meldete sich am anderen Ende. Nachdem ich mich kurz vorstellte, wusste er, wer ich war. Er erinnerte sich an den Unfall. Als ich ihn fragte, wie sicher meine Unschuld war, antwortete er mit derselben ruhigen und schönen Stimme wie schon einige Stunden zuvor, es gebe keinen Grund zur Beunruhigung, ich war unschuldig. Das reichte mir und ich gab diese Information sofort an Thomy weiter.

Thomy nahm das zur Kenntnis und arbeitete weiter.

Das Telefongespräch war jedoch noch nicht beendet, Herr Klein und ich führten es fort. Er fragte mich, wohin ich am Abend mit meiner Freundin ausging. Ich erzählte ihm ganz stolz, dass wir in das Rockstudio nach Bandern gingen. Im Gegenzug wollte ich natürlich wissen, wohin es ihn in seiner Freizeit verschlägt. Er erzählte mir, dass er mit einem Kumpel nach Kulben ging, dort gab es gemischte Musik, unter anderem auch Schlager. Sofort fing ich an, frech zu lachen, und machte mich über die Art Musik, die sie dort spielten, lustig. Wie konnte er das nur aushalten? Natürlich lachte ich bei dieser Aussage. Ich erzählte ihm, dass wir mit den Männern flirten, wenn wir weggingen. Was er nicht wusste, es war nicht meine Art, mit Männern zu flirten.

Erzählungen über Dinge, die ich nicht tat, wie naiv.

Wir telefonierten acht Minuten, es war eine interessante Unterhaltung. Er bat mich um meine Handynummer, die ich ihm gerne gab.

Ich beendete das Gespräch und schenkte meine Aufmerksamkeit wieder Thomy. Irgendwie musste er mir angesehen haben, dass mir dieses Gespräch mehr bedeutete, als ich zugab, er grinste zufrieden vor sich hin.

Es dauerte nicht mehr lange, bis er alles notierte und fertig war. Ich fuhr endlich nach Hause.

Erleichtert und innerlich zufrieden kam ich an, stellte mein Auto an die Straße, nahm meine Utensilien und bewegte mich auf mein kleines Häuschen zu, öffnete die Haustür des Windfangs und zog meine Schuhe aus. Dann weiter durch die nächste Haustür in den Wohnraum. Kaum angekommen, rief ich meine Freundin an und erzählte im Schnellverfahren von diesem Nachmittag. Ich bat sie, mich abzuholen, da ich zu erschöpft war, um am Abend mit dem defekten Auto zu fahren.

Als Erstes legte ich mich auf mein Sofa und schlief umgehend ein. Im Halbschlaf hörte ich noch, dass mein Handy piepte, das war mir aber völlig egal, ich wollte nur noch meine Ruhe.

Nach meiner Erholungspause stand ich auf, um mich frisch zu machen. Ich aß in der Küche eine Kleinigkeit, nebenher nahm ich mein Handy. Eine neue Nachricht. Gespannt las ich diese, sie war von Herrn Klein. Er fragte mich, ob mein Schock schon verdaut war und ob es mir gut ging. Ich schmunzelte, freute mich, nahm das Handy mir mit und verzog mich ins Bad. Als ich gerade dabei war mich zu schminken, klingelte das Handy. Da ich vorher die Nummer abgespeichert hatte, sah ich, dass es Herr Klein war. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es ihm genauso ging wie mir. Ich nahm ab und meldete mich mit einem freundlichen: „Hallo.“

Er begrüßte mich und fragte mich nach meinem Befinden. Nach einem kurzen Gespräch erfolgte eine kleine Pause. In diesem Moment hörte ich einen Hund bellen, ich fragte Herr Klein, ob es sich dabei um seinen Hund handelte? Er bejahte meine Frage. Was mich sehr freute. Sogleich fragte er mich, ob ich mit ihm und dem Hund irgendwann einmal spazieren gehe. Ich fiel aus allen Wolken, das war schön. Ohne darüber nachzudenken, stimmte ich zu. Wir wünschten uns gegenseitig ein schönes Wochenende und verabschiedeten uns.

Mit diesem Anruf tat sich eine neue Tür auf.

 

Noch vor einem Jahr wollte ich mir einen Hund aus dem Tierheim holen. Ich stellte mir vor, mit einem Hund zu joggen, davon träumte ich schon lange. Leider war mein damaliger Lebensgefährte überhaupt nicht angetan von dieser Idee. Außerdem waren wir beide tagsüber arbeiten, und den Hund konnten wir nicht den ganzen Tag alleine lassen. Es gab niemand, der sich in der Zeit um ihm kümmerte.

 Irgendwie merkte ich, dass es nicht nur sein Aussehen, die liebe und nette sowie zuvorkommende Art waren, die diesen Mann so interessant machten. Nein, er besaß einen Hund, einen Schäferhund und er lud mich ein, mit ihm zusammen spazieren zu gehen, das war das Allergrößte.

Nun musste ich mich beeilen, Sarah war bald da und ich wollte fertig sein bis dahin.

Pünktlich, als es klingelte, war ich gerichtet. Wir begrüßten uns, verließen das Haus und gingen zum Auto. Auf der Fahrt, erzählte ich ihr all die Dinge, die sich ereigneten. Ich wusste nicht, was ich zuerst erzählen sollte. Doch je mehr ich erzählte, umso desinteressierter kam mir Sarah vor. Sie nahm an meiner Freude nicht teil, sie war mir auf einmal so fremd.

Dieser Abend war anders als all die anderen Abende, an denen wir gemeinsam ausgingen. Lag es daran, dass mir heute ein Mann den Kopf verdrehte, oder woran? Meine Freundin war anders und die Leute, die wir vom Sehen her kannten, waren auch anders. Ich war wirklich sehr froh, als wir endlich nach Hause fuhren. Sarah und ich verabredeten uns für den Sonntagmorgen zum Joggen und einem anschließenden gemeinsamen Frühstück bei ihr.

 

Meine Freundin Sarah

 

Sarah war eine Arbeitskollegin von mir. Wir arbeiteten in derselben Firma, die Abteilungen, in denen wir arbeiteten, waren direkt voneinander abhängig und wir sahen uns mehrmals am Tag. Die Kommunikation beschränkte sich jedoch auf unsere Arbeit. Wir sagten uns nichts, die Chemie stimmte nicht. Dennoch gingen wir demselben Hobby nach. Wir waren beide Läuferinnen, liefen im selben Lauftreff und waren uns trotzdem fremd.

Bei meinem ersten Zehnkilometerlauf waren wir beide angemeldet. Sarah lief schon einige Zeit länger als ich. Bei diesem Lauf war meine Motivation sehr hoch, ich fühlte mich sehr gut. Im letzten Drittel fiel mir auf, dass Sarah schwächelte. Da ich von Natur aus unter einem Helfersyndrom leide, verlangsamte ich mein Tempo und hängte mich an ihre Seite, wir kamen gemeinsam ins Ziel. Ob Sarah das wirklich wahrnahm, weiß ich bis heute nicht.

Mein damaliger Lebensgefährte war sich sicher, diese Frau nicht einmal mit einer fünf Meter langen Zange anzufassen. Das war sein einziger Kommentar zu dieser Frau. Wahrscheinlich war sein Einfluss auf mich einfach zu groß.

Etwa zwei Jahre danach, traf uns das gleiche Schicksal. Auf einmal gab es einen Grund aufeinander zuzugehen. Sarah war nur zwei Jahre verheiratet, als ihr Mann fremd ging. Meine Beziehung dauerte sieben Jahre, bevor Sören mich wegen einer anderen verließ.

Irgendwann fingen wir an, uns privat zu treffen, einfach zum Reden. So fing alles an. Wir machten stundenlange Spaziergänge. Wir joggten gemeinsam, legten viele Kilometer zurück. Als sie aus der Wohnung, die sie mit ihrem Mann bewohnte, auszog, half ich ihr. Wir waren füreinander da, lernten uns erst da richtig kennen. Wir lauerten unseren Ex-Männern auf, in der Hoffnung, sie mit ihrem neuen Flammen zu sehen, nur um eine Bestätigung zu erhalten, dass sie uns nicht mehr liebten. Wir lachten und weinten, wir trösteten uns und jede gab der anderen das Gefühl gebraucht zu werden.

Während Sarah in ihrer Zweizimmerwohnung aufblühte, wohnte ich noch immer in dem kleinen Häuschen, welches nur zur Hälfte mir gehörte.

Als das schlimmste überstanden war, fingen wir an, uns wieder um das andere Geschlecht zu kümmern. Mir fehlte die Erfahrung, wie richtig geflirtet wird. Besser gesagt, das wendete ich nicht bewusst an. Sarah klärte mich auf! Sie war zur Hälfte Italienerin und es lag ihr sozusagen im Blut. Sie erklärte mir: „Wenn dich ein Mann wirklich liebt, schenkt er dir Rosen.“ Eine Frau darf sich nicht gleich offenbaren, lehrte sie mich. Sie sollte sich immer ein bisschen zurückhalten, um so herauszufinden, ob der Angebetete es auch ernst mit einem meint. Sie wusste noch viele Weisheiten diesbezüglich.

Da ich nicht der geborene Typ zum Flirten war, blieb von alledem nicht viel hängen. Auf jeden Fall freuten wir uns über den Spaß und das war Erfolg genug.

An einem einsamen Sonntag beschloss ich, einen Motorrad-ausflug zu machen. Mein Ziel war die Stadt, in die meine allererste Motorradausfahrt, damals noch als Sozia, führte. Es war eine Kurstadt, überfüllt mit wohlhabenden älteren Menschen.

Es war eine schöne Strecke. Ich stellte mein Motorrad ab. Ging ein Stück und setzte mich an einen freien Tisch in ein Straßencafé. Mir war nicht nach Kaffee, so bestellte ich eine Tomatensuppe und ein stilles Wasser. Tatsächlich entdeckte ich einige Tische weiter ein Opfer, mit dem ich zu flirten versuchte. Der Herr fühlte sich angesprochen und gesellte sich kurze Zeit später tatsächlich zu mir. Ich bezahlte und er begleitete mich ein Stück. Es war für den ersten Versuch ganz nett. Doch auf einmal wusste ich mir nicht mehr zu helfen, keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Es war mir zu heiß. Mit einer Ausrede verabschiedete ich mich von dem etwas aufdringlich gewordenen Mann. So schnell es mir möglich war, rief ich Sarah an, um ihr zu berichten. Zu der Zeit war es nun Sarah, der ich gefallen wollte.

Wir verabredeten uns am frühen Abend und ich fuhr zurück. Meine Fahrt endete am vereinbarten Treffpunkt. Sarah saß schon im verabredeten Café an einem Tisch mit einem Eiskaffee. Als sie mich kommen sah, schenkte sie mir ein freundliches Lächeln und winkte mich zu sich. Meinen Helm und die Kombijacke legte ich auf einen freien Stuhl und begann zu erzählen. Wir lachten viel, selbstverständlich war mein Flirtversuch noch nicht perfekt.

Ein junger Mann, auch in Motorradmontur, gesellte sich an unseren Tisch und fragte, ob da noch ein freier Platz war. Wir waren einverstanden, dass er sich zu uns setzte, und Sarah war von nun an in ihrem Element. Der junge Mann, jünger als wir wohlgemerkt, erzählte von seiner gescheiterten Beziehung. Seiner Meinung nach brauchte er eine Frau, die in sein Raster passte. Bei Sarah hinterließ er einen bleibenden Eindruck. Sein Spitzname war von da an Raster.

 

Der besagte Sonntag war gekommen. Zuerst gingen wir Joggen, ich fühlte mich, als seien mir Flügel gewachsen. Meine Beine bezwangen die Wege ohne große Anstrengung. Wir kamen hungrig zurück, duschten und freuten uns auf das darauffolgende ausgiebige Frühstück. Es gab Wurst und Käse, in Stücke geschnittene Gurken und Möhren, das gekochte Ei fehlte nicht. Selbstgemachte Marmelade, Honig, Butter und dazu frische knusprige Brötchen. Ihre Küche war offen und verschmolz mit dem Wohnzimmer zu einem großen Raum. Auf der Südseite waren große Fenster und die Sonnenstrahlen fielen ungehindert ein. Wir richteten uns alles liebevoll zurecht und setzten uns auf den Boden an ihrem Couchtisch. Das machten wir gerne so, es war einfach gemütlich.

Es schien alles perfekt zu sein, aber irgendwie lag etwas in der Luft. Spürte Sarah, dass es mir mit dem Polizisten eine ernste Sache war? Ärgerte sie sich, dass sie nicht dabei war, als er mir begegnete? In all meinen Erzählungen von den vergangenen Stunden war nichts dabei, was dem ähnelte, was sie mich vor nicht allzu langer Zeit lehrte. Alles kam von selber und es war alles Zufall, oder Schicksal? Woran es auch immer lag, es war alles viel zu schön, wenn ich an Herrn Klein dachte. Diese Gedankenspielerei führte nur dazu, dass mein Wunsch, endlich etwas von Herrn Klein zu hören oder zu lesen sehr groß war.

Mit einem Mal schaute ich Sarah an und sagte zu ihr: „Ich will Herrn Klein eine Nachricht zukommen lassen, ich habe seit gestern Abend nichts mehr von ihm gehört und halte das nicht mehr aus.“

Sarah schaute mich ungläubig an. „Warum möchtest du das tun? Warte doch ab bis er sich meldet! Sei nicht so ungeduldig!“

Doch mit jedem ausgesprochenen: ´Tu es noch nicht!´, wurde mein Verlangen größer. Ich nahm mein Handy, tippte ein paar nette Worte ein und schickte ab. Sehr Aufgeregt und darüber nachdenkend, ob ich das Richtige tat, lehnte ich mich zum Entspannen langsam zurück. Sogleich klingelte mein Handy. War ich erschrocken, ich war wieder voll angespannt, nahm das Handy und schaute vorsichtig auf die Nummer. Es war Herr Klein. Oh je, was sollte ich jetzt tun? Ich rechnete mit allem, nur nicht damit, dass er sofort anrief! Ich nahm den Anruf an.

Hallo.“ Kurze Pause um Luft zu holen, „Schon ausgeschlafen? Wie war deine Nacht?“

Er arbeitete in der letzten Nacht!

Mist, wie unüberlegt, es rutschte mir einfach heraus, ich duzte Herrn Klein. Wie redete ich mich da nun wieder raus? Ich glaube mein Gesicht lief rot an, auf jeden Fall war mir sehr heiß.

Ich entschuldigte mich und erklärte ihm, wie unangenehm mir das war und es tat mit außerordentlich leid, es kommt nicht wieder vor, ich kam nicht einmal zum Luft holen.

Auf einmal hörte ich Herrn Klein am anderen Ende sagen: „Das ist doch gar nicht schlimm, es ist schon in Ordnung, wir können uns gerne duzen!“

Es war nicht nur ein einziger Stein, der mir vom Herzen fiel, es handelte sich um ein Dutzend.

Wir stellten uns vor, dass ich Julia war, das wusste er schon seit gestern. Sein Vorname war André.

Auf seine Frage, wie es mir ging, antwortete ich: „Wir waren eine Runde joggen und genießen momentan ein tolles Frühstück.“

Er fragte mich, ob ich am Abend mit ihm Essen gehen möchte.

Ich sah Sarah an, ich war nicht in der Lage, klar zu denken. Es entstand eine kleine Pause.

Da Sarah und ich uns kurze Zeit vorher noch über die Prinzipien und Regeln von Mann und Frau unterhielten, war ich fest entschlossen, Nein zu sagen. Sarah fuchtelte mit ihren Händen und verdrehte ihre Augen, versuchte mir irgendwie ein Ja zu vermitteln. Sie schaffte es und ich überdachte die Antwort noch einmal, räusperte mich verlegen und sagte: „Ja, das können wir gerne machen.“

Soeben verabredeten wir uns zu unserem ersten Date, das war wunderbar.

Die nächste tolle Überraschung folgte sofort, er war im Besitz von zwei Karten für Rammstein im Mai, außerdem für den August noch mal zwei Karten für Bon Jovi. Ungeachtet dessen, ob wir uns bis dahin überhaupt noch kannten, willigte ich sofort ein und bedankte mich für die Einladungen. Wir machten eine Uhrzeit für den Abend aus, ich erklärte ihm den Weg zu mir nach Hause. Er warnte mich vor eventuellem Hundegeruch in seinem Auto. Erfüllt und mich in einer anderen Welt wiederfindend, beendete ich das Gespräch. Das Handy mit beiden Händen fest umschlossen, total übersäht mit Glücksgefühlen, lehnte ich mich ganz entspannt zurück.

Es dauerte nicht besonders lange, bis Sarah mich aus meinem siebten Himmel unsanft auf die Erde zurück katapultierte. Sie stellte mir vorwurfsvolle Fragen. „Warum sagtest du zu allem ja, zu beiden Konzerten, und das, ohne mit der Wimper zu zucken. Hast du alles schon vergessen, was ich dir erklärte? Du kennst ihn kein bisschen und willigst überall ein, du bist eine leichte Beute!“

Sie war sehr hart, aber ehrlich, denn ich war schon ´blind´ geworden durch diesen Mann, ich war über beide Ohren verknallt.

Dieses Frühstück war unser vorerst letztes Beisammensein, ich beendete es, weil zu Hause noch etwas Arbeit auf mich wartete, sowie mein bevorstehendes Date. Wir verabschiedeten uns, Sarah wünschte mir einen schönen Abend.

 

Überraschungen

 

War es das Joggen und das Frühstück? Nein, es war ein Mann, der mir den Verstand raubte. In meinem Bauch siedelten sich Schmetterlinge an, mein Körper begann förmlich von der Droge des Glücks gefangen genommen zu werden.

Nach meiner Ankunft zu Hause, spürte ich das dringende Bedürfnis, sofort mit meinem Vater zu telefonieren. Eifrig erzählte ich ihm die neuesten Ereignisse und er hörte das Knistern, welches in der Luft lag. Er wünschte mir einen schönen Abend mit Herrn Klein. Nach der Beendigung des Telefonats, merkte ich, dass ich in den letzten einunddreißig Jahren noch nie mit meinem Vater über solche Dinge sprach. Das war ein Zeichen für eine innere Verwandlung.

­­­­­­­­­­­­­­­­So langsam war es an der Zeit, mich ausgehfertig zu machen. Vor dem Spiegel stand eine junge Frau, groß, mit einer schlanken sportlichen Figur, blondem langem Haar, blauen vor Glück glänzenden Augen. Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht, da stand ich, Hals über Kopf verknallt in einen mir völlig fremden Mann.

Neunzehn Uhr war ausgemacht, es war jetzt achtzehn Uhr fünfzig, in zehn Minuten stünde er vor meiner Tür. Alleine bei diesem Gedanken spürte ich eine wohlige, angenehme Wärme um mein Herz. Mein Herzschlag erhöhte sich. André, ohne Uniform, es war so spannend, wie er wohl aussah.

Die Zeit schien still zu stehen, es war neunzehn Uhr, meine Hände waren leicht feucht, die Aufregung machte mich fast wahnsinnig, jeden Moment war er da. Wieder und wieder lief ich zum Fenster und wollte es nicht verpassen, wenn er vorfuhr. Es war schon zehn Minuten später als ausgemacht. Den nächsten Blick auf die Uhr, war es neunzehn Uhr dreißig. So langsam machte ich mir ernsthafte Gedanken und überlegte, ob er mich versetzte. War ihm vielleicht etwas passiert? Lag es an meiner schlechten Wegbeschreibung? Die Freude verwandelte sich in Angst. Angst um einen Mann, den ich nicht einmal einschätzen konnte.

Nachdenklich lief ich in die Küche und setzte mich auf einen Stuhl. Es dauerte nicht lange und ich lief zurück ins Esszimmer, schaute sehnsüchtig zum Fenster hinaus, nichts. Enttäuscht setzte ich mich nun auf einen Stuhl im Esszimmer. In meinem Kopf hausten negative Gedanken. Die Szene von heute Morgen am Frühstück wiederholte sich. Intuitiv wollte ich Nein sagen, auf die Frage, ob ich heute Abend mit ihm Essen ging. Sarah hat mich jedoch überredet, wenn auch ohne Worte, sie gab mir deutlich zu verstehen Ja zu sagen. Mir kamen die ganzen Gespräche, die ich mit Sarah führte, in den Sinn, auf einmal war mir klar geworden, wie leichtsinnig ich war.

Diese Gedanken brachen abrupt ab und die Welt war wieder in Ordnung, als auf einmal ein schwarzer Kombi vorfuhr. Er hielt unweit meiner Garage. Ein Mann stieg aus, es war André, der nette Polizist. Er trug eine Jeans, darüber eine olivgrüne Bomberjacke, was seine Figur super zur Geltung brachte. Das war ein Mann, jung, gutaussehend, mit kurzem hellbraunem leicht grau meliertem Haar, Oberlippenbart, vollen Lippen, breiten Schultern und einem knackigen Hinterteil. Über mehr konnte ich nicht nachdenken, er erreichte meine Haustür. Jetzt war alles wieder da, diese Aufregung, das Herzklopfen, die Freude. Die schlechten Gedanken von vorher vergessen, vorbei, wie weggeblasen. Allein seine Nähe ließ mich in einen Zustand verfallen, in dem es mir nicht mehr möglich war, Gut von Böse zu unterscheiden.

Es klingelte; ich aufgeregt und zittrig, meine Hände leicht feucht, ich rieb sie mir schnell an meiner Hose ab und öffnete die Tür. Vor mir stand André, er strahlte mich mit seinem bezaubernden Lächeln an. „Hallo, entschuldige, dass ich mich verspätete, ich fuhr ein paarmal am Haus vorbei. Es tut mir wirklich leid.“

Hallo“, sagte ich und versuchte so ruhig und gelassen zu bleiben, wie es nur ging, obwohl mir das verdammt schwerfiel, beim Anblick dieses Mannes. Meine schnelle und kurze Antwort war: „Alles nicht schlimm, schön, dass du da bist, ich freue mich.“